Vorwort
Der Burgwall Menkendorf, eine der am besten erhaltenen slawischen Befestigungsanlagen in Mecklenburg, liegt unmittelbar auf dem Grund und Boden, den meine Familie seit Gründung des Dorfes Menkendorf im Jahre 1826 bewirtschaftet. Er hat mich von Jugend an fasziniert und ich habe seitdem versucht, etwas über die Menschen zu erfahren, die ihn errichtet haben. Ich halte den Burgwall in Übereinstimmung mit Lisch (1861) für die Hauptburg der Smeldinger. Diese Aufzeichnungen stellen keine neuen Forschungsergebnisse dar, sondern fassen das zusammen, was in der Literatur über die slawischen Bewohner dieses Landstriches bekannt ist. Sie sollen geschichtlich interessierten Bewohnern und Touristen einen ersten Einblick in das Leben der Smeldinger verschaffen. Wer mehr über das Leben und Wirken der Slawen im Mittelalter, ihre Kultur, Sitten und Gebräuche wissen möchte, dem empfehle ich die Bücher von Joachim Herrmann „Zwischen Hradschin und Vineta“ und „Slawische Stämme zwischen Elbe und Oder“.
Die Slawen oder Wenden
Bis zum 4. bzw. 5. Jahrhundert besiedelten germanische Stämme das Gebiet zwischen Elbe und Oder. In dieser Zeit kam es jedoch zu einer Abwanderung, über deren Gründe wir heute kaum etwas wissen. Im 6. bis 8. Jahrhundert stießen slawische Stämme aus dem Osten und Südosten Europas in das nicht oder nur dünn besiedelte Gebiet vor und wurden hier ansässig (Herrmann 1985). Sie kamen wahrscheinlich aus dem Raum zwischen Weichsel und Dnjestr und vom nördlichen Balkan. Die im Gebiet des heutigen Niedersachsen und Bayern lebenden Germanen bezeichneten sie als Wenden. Die zwischen Elbe und Oder eingewanderten Slawen hatten umfassende Kenntnisse in Feld- und Viehwirtschaft, waren gute Krieger und Jäger, mit dem Fischfang vertraut und trieben regen Handel. Der aus Spanien kommenden Israelit Ibrahim ibn Jakub bereiste um 973 das Gebiet zwischen Merseburg und der Ostsee und berichtet darüber wie folgt:
„Dies letzte Reich grenzt gegen Westen an Sak[s]ûn (Sachsen) und einen Theil von Mermân. Die Kornpreise sind dort niedrig, und das Land ist reich an Pferden, so daß davon nach andern Laendern ausgefuehrt wird. Die Bewohner sind gut bewaffnet mit Panzern, Helmen und Schwertern. Von [Merse]burg nach dem daran grenzenden Bezirksorte reist man 10 Meilen, [von dort] nach der Bruecke [über die Elbe] 50 Meilen, und diese Bruecke ist von Holz und eine Meile lang. Von der Bruecke bis zur Burg des Nâcû[n] sind ungefähr 40 Meilen. Diese Burg heißt [Wîli=]Grâd, welcher Name "Große Burg" bedeutet. Wîli=Grâd ist in einem Sueßwassersee erbauet, sowie die meisten Burgen der Slawen. Wenn sie naemlich eine Burg gründen wollen, so suchen sie ein Weideland, welches an Wasser und Rohrsuempfen reich ist, und stecken dort einen runden oder viereckigen Platz ab, je nach der Gestalt und dem Umfange, welche sie der Burg geben wollen. Dann ziehen sie darum einen Graben und haeufen die ausgehobene Erde auf. Diese Erde wird mit Brettern und Balken so fest gestampft, bis sie die Haerte von Pisé (tapia) erhalten hat. Ist dann die Mauer (der Wall) bis zur erforderten Hoehe ausgeführt, so wird an der Seite, welche man auswaehlt, ein Thor abgemessen und von diesem eine hoelzerne Brücke über den Graben gebauet. Vor der Burg [Wîli=]Grâd bis an den Ocean betraegt die Entfernung 11 Meilen. Die Kriegsheere dringen in das Gebiet Nâcû[n]s nur mit großer Muehe vor, da das gesammte Land niedriges Weideland, Rohrsumpf und Morast ist.“ (Nach Wigger 1880).
Die Neugründung eines Ortes erfolgte in den meisten Fällen durch eine blutsverwandte Sippe (obschtina, rod). Der Sippenälteste (Starosta) war der Verwalter des Sippenvermögens. Es gab kein Privatvermögen, sie lebten in einer geschlechtsgenossenschaftlich aufgebauten Hauskommunion, der Zudraga. Das Land war Eigentum der Sippe, nur Haus- und Hofstelle waren Privateigentum.
Alle slawischen Stämme nördlich einer Linie von Magdeburg bis Frankfurt/Oder gehörten zum drawehnopolabischen Sprachgebiet, die südlich davon siedelnden zum sorbischen.
Wendische Volksstämme westlich von Oder und Neiße
Nach einer Beschreibung des Bayrischen Geographen aus der Mitte des 9. Jahrhunderts werden die ostelbischen Slawen in drei große Stammesverbände eingeteilt.
1. Obodriten (Abodriten)
Ihr Siedlungsgebiet war das westliche Mecklenburg und Ostholstein. Der Hauptstamm dieser Gruppe, die Obodriten, besiedelte das Gebiet um Wismar und Schwerin.
Die Unterstämme lebten in folgenden Gebieten: Die Wagrier in Ostholstein, die Polaben entlang der Elbe und Trave, die Warnower an der oberen Warnow und Mildenitz.
2. Wilzen oder Lutizen (Liutizen)
Dieser Stammesverband besiedelte das östliche Mecklenburg und Vorpommern. Zu ihnen zählten Kessiner, Zirzipanen, Tollenser und Redarier.
3. Sorben
Die Sorben besiedelten das Gebiet zwischen Elbe, Saale und Neiße mit mehreren Stämmen, nach dem Bayrischen Geographen sollen es etwa 50 gewesen sein. Es soll allein im Gebiet um Altenburg fünf Kleinstämme gegeben haben.
Weitere Stämme auf dem Gebiet des heutigen Mecklenburg-Vorpommern und im nördlichen Brandenburg waren die Ranen auf Rügen, die vermutlich in der Jabelheide und dem Land Wehningen lebenden Smeldinger, die Linonen in der Prignitz, die Ukranen im Bereich der Uckermark, die Mürizer im Müritzgebiet, die Dosane im Gebiet der Dosse, die Zamzizi im Rhinluch, die Rocanen im Raum Barnim und die Haveller im Havelland.
Einen Sonderstatus hatten die Drevanen im Niedersächsischen Wendland. Dieser Volksstamm lebte mit Duldung Karl des Großen westlich der Elbe im Gebiet des heutigen Wendland und stand immer unter fränkischer, später sächsischer Hoheit.
Die Wenden wurden als relativ kleinwüchsig (etwa bis 1,70 m Größe) und breitschultrig beschrieben. Sie hatten einen untersetzten kräftigen Körperbau und eine rundliche Gesichtsform. Nach dieser Beschreibung habe ich mein Augenmerk auf diesen Menschentyp gelenkt und festgestellt, dass hier in den umliegenden Dörfern dieser Typ bis zum zweiten Weltkrieg besonders in den Familien dominierte, deren Familiennamen altslawischer Herkunft waren. Mit der starken Ansiedlung von Flüchtlingen aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten nach 1945 und ihre Assimilation in die einheimische Bevölkerung verloren sich diese Merkmale zusehends.
In der Zeit der Christianisierung und deutschen Landnahme galten die Wenden als faul, dumm, kriegslustig und arbeitsscheu. An diesem Vorurteil hat sich auch in späterer Zeit leider nicht viel geändert.
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